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Wenn man über das Falsche spricht: IG Hafenplatz, die Stadt und die anderen Beteiligten


Datum
28. Mai 2014

Schlagwörter
Basel   Freiheit   Stadtentwicklung   Wohnen  

Sowohl die Stadt Basel wie auch die IG Hafenplatz beanspruchen für sich, einen Kompromiss eingegangen und aufeinander zugegangen zu sein. Nun könnte man auf den ersten Blick annehmen, dass dies tatsächlich so ist und die beiden Kompromissvorschläge zu weit auseinanderliegen um zu einer Einigung zu kommen.

In einer anderen Sichtweise, und ich behaupte mal, dass dies ein wesentlicher Grund für die Verhärtung der Fronten ist, wird schlicht und einfach über das Falsche gesprochen. Mit dem Wagenplatzes auf 2’500 m2 duldet der Kanton eine nicht-regelkonforme Situation und erwartet im Gegenzug für die restlichen Projekte eine Einordnung in das bestehende Nutzungskonzept. Der Kompromissvorschlag seitens der Stadt ist einfach ausgedrückt: wenn ihr ein Teil legalisiert, dann dulden wir einen Teil, der nicht regelkonform ist.

Auf der anderen Seite haben wir die IG Hafenplatz, welche gerade dieses Angebot einer teilweisen Legalisierung ablehnt, da sie dadurch ihre Projekte in Gefahr sieht. Wenn die Angebote sämtliche Regeln und Gesetze wortgetreu einhalten müssten, dann ginge tatsächlich das kreative und spielerische Potential verloren. Für eine kleine Holzbaracke müsste wohl ein Baugesuch eingeholt werden, was kaum zu bewerkstelligen ist, wenn dies mit wenig Mittel und in kurzer Zeit geschehen soll.

Nun ist es ein offenes Geheimnis, dass die bestehenden Regeln und Gesetze gerade für temporäre Nutzungen ein grosses Hindernis darstellen. Jedes dieser Gesetze hat für sich alleine einen gewichtigen Anspruch. So dient die Einhaltung feuerpolizeilicher Vorschriften letztendlich dem Schutz der Nutzenden. Wie mit dem Abwasser umzugehen ist, dient dem Schutz der Umwelt und die Lebensmittelverordnung dient dem Ziel ohne Bauchschmerzen aufzuwachen oder sich gar im Spital behandeln lassen zu müssen. In der Fülle und mit der starren Umsetzung sind diese berechtigten Anliegen jedoch kaum in die bestehenden Projekte zu integrieren, auch wenn deren Ziele durchaus auch mit wenig Aufwand erreicht werden könnten.

Nun wurde von Seiten des Hafenplatzes ernsthafte und zielführende Anstrengungen unternommen um die mit dem Gesetz beabsichtigte Sicherheit zu gewährleisten, wie zum Beispiel der Einbau eines grossen Notausgangs in eine Baracke. Wahrscheinlich bedarf es jedoch noch weiterer Anstrengungen um die mit diesen Regeln beabsichtigten und durchaus sinnvollen Ziele zu erreichen. Auch der Kanton ist mit seiner Duldung von 2’500 m2 einen Schritt in die richtige Richtung gegangen.

Wir haben einen Kanton, welcher, im Sinne der Gleichbehandlung unterschiedlicher Anspruchsgruppen, nicht leichtfertig die Regeln anpassen kann. So wäre es rechtsstaatlich bedenklich, wenn für die unterschiedlichen Zwischennutzungen auf einmal unterschiedliche rechtliche Grundlagen gelten würden. Vor diesem Hintergrund und mit dem Wissen, dass die einzelnen Regeln durchaus Berechtigung haben, deren Umsetzungen sich jedoch von langfristigen Nutzungen unterscheiden müssen, stellt sich die grundlegende Aufgabe, neue Formen derer Umsetzung zu finden, welche langfristig auch übergeordnete Geltung haben können und somit den rechtsstaatlichen Anspruch schützen.

Ein Kompromiss bei derartiger Verhärtung der Fronten kann nur unter Berücksichtigung dieser Sachverhalte gefunden werden. Der Kanton müsste der Wille aufbringen, eine experimentelle Situation zuzulassen, welche neue Form der Umsetzung berechtigter Regelungsansprüchen zulässt während die Projekte der IG Hafenplatz akzeptieren müssten, dass die Zielsetzungen hinter diesen Regelungsansprüchen Berechtigung haben – und, wenn auch kreativ, umzusetzen sind.

Ein übergeordneter Gewinn dieses Experiments könnte schlussendlich in einem neuen Umgang mit den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen bestehen, welcher nicht nur den Projekten der IG Hafenplatz zugute kommt, sondern grundsätzlich Zwischennutzungen vereinfacht und einen liberaleren Umgang mit ihnen ermöglicht.

Hierfür müssten zunächst alle Beteiligten akzeptieren, dass die Interessen der jeweilig anderen legitim sind und dass ein Beharren auf eigenen, oftmals auch ideologisch und politisch begründeten Standpunkten, nicht zum Ziel führt – auf alle Fälle nicht zum Ziel der Weiterführung. Alles andere ist eine politische Instrumentalisierung der Situation, welche zwar legitim sein kann, jedoch auf keiner Seite Kompromiss darstellt.

Es ist eigentlich ganz einfach, wobei alle Zugeständnisse machen müssten: Der Verein «Shift Mode» bringt der Wille auf, dass die bestehenden Projekte sich auf ihrem Areal weiterentwickeln können. Der Kanton Basel-Stadt ist bereit, den Ermessenspielraum auszureizen und im Sinne eines Experiments neue Formen der Umsetzung von Regeln zuzulassen. Die IG Hafenplatz entwickelt seine Projekte unter Rücksprache mit «Shift Mode» eigenständig auf deren Areal weiter und sucht neue Formen zur Umsetzung des staatlichen Regelungsanspruchs. Die 2500 m2 sind Wagenplatz und werden geduldet. Das wäre ein Kompromiss. Das wäre Zukunft.

Eine unvollständige Chronik:

Datum Sachverhalt
28_Mai_2014 Wiederholtes Angebot von ShiftMode, dass „Ufer Los“ Projekte auf deren Parzellen umsetzen kann, wobei Modalitäten unklar sind. Quelle: TaWo
28_Mai_2014 Bekanntgabe der Kunsmesse Scoop, dass sie nach dem Rückzug des Wagenplatzes auf 5’000m2 genügend Platz für ihre Messe hat. Quelle: TaWo
27_Mai_2014 Ultimatum des Regierungsrats (BS) bis Sonntag, 1. Juli 2014 zur Verkleinerung des genutzten Platzes auf 2’500m2. Quelle: Medienmitteilung Kanton BS
25_Mai_2014 Demonstration für den Hafenplatz/Wagenplatz mit 200-300 Teilnehmenden. Quelle: TaWo
Mai_2014 Eine Auftrennung der Projekte ist für Hafenplatz nicht denkbar, ebenso wird die Weiterführung der Projekte unter ShiftMode als unrealistisch eingeschätzt.
23_Mai_2014 Öffentlicher Aufruf, dass der Wagenplatz in Gefahr ist. Quelle: Blog UferLos
15_April_2014 Regierung gibt bekannt, dass Auftrag für Zwischennutzung an den Verein ShiftMode vergeben wurde und dass der Wagenplatz auf 2’500m2 geduldet wird. Quelle: BaZ
März_2014 Gerüchte/Pläne über den Bau von Fussballfeldern auf dem Gelände des Wagenplatzes machen die Runde, es kommt zu einer Demonstration, die Pläne werden schlussendlich nicht weiter verfolgt. Quelle: TaWo / BaZ
Sommer_2013 Entstehung des Projekts „Ufer-Los“ mit unterschiedlichen kulturellen Angeboten in Absprache mit dem Wagenplatz auf geduldetem Gelände. Quelle: Blog UferLos
August_2013 Zusicherung einer Duldung durch die Rheinhäfen von 6’000m2 bis legale Nutzung gefunden ist. Quelle: Heidi Mück
29_März_2013 Umzug des Wagenplatz an die Uferstrasser (Hafen) Quelle: BaZ
September_2011
bis
März_2013
Der Wagenplatz entsteht auf der ExEsso-Parzelle im Hafenareal und muss zwischen unterschiedlichsten Standorten hin- und herziehen. Quelle: www.wagenplatz.ch