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Unternehmerische Stadt und Ausgrenzung


Datum
9. Januar 2017

Schlagwörter
Armut   Innovation   öffentlicher Raum   Stadtentwicklung  

Die Stadt entsteht durch (soziale) Vielfalt, eine Stadt die Menschen ausgrenzt, verhindert Urbanität – und damit letztlich die innovative Dynamik die durch die städtischen Gegensätze entsteht.

Unter dem Schlagwort „unternehmerische Stadt“ können wir sehen, wie sich Städte in erster Linie als ökonomische Akteure verstehen. Das Produkt ist der attraktive Standort mit den noch attraktiveren Bedingungen.

Im Wettbewerb mit anderen Städten gilt es, diese Attraktivität nicht nur zu erhöhen, sondern in einer ganz bestimmten Art und Weise auszubauen. Attraktiv wird, was in einem Ranking messbar ist, was ein „Executive Board“ für gut empfindet.

Zwischen diesen grossen standardisierten Vorgaben können allenfalls noch einzelne Nischenqualitäten geschaffen werden, diese werden dann, mehr in Werbe- denn in Marketingmanier, als Identität, oder vielmehr als USP, verkauft.

Verkehrsberuhigte Strassen und attraktive Bedingungen für Familien ziehen die mittelständischen Citoyens an. Diese verdrängen weder bewusst noch gewaltsam die „Schlechtergestellten“, sie können sich die höheren Mieten einfach leisten und treiben damit den Markt an. Sie sind sowohl in der Gesellschaft wie auch in der Wirtschaft gut integriert. Sie sind sozial eingestellt und geniessen ab und an das dreckige und unkontrollierte der Stadt. Doch das dreckige und unkontrollierte der Stadt dient nur noch als Kulisse, in Wahrheit ist die Stadt schon längst befriedet, kontrolliert und vor allem attraktiv.

Nun, auf der anderen Seite sehen wir das Elend in vielen Städten Europas und der Welt sowie den gesellschaftlichen Sprengstoff, der aus diesem Elend resultiert. Wir können uns selbstherrlich auf den Standpunkt stellen, dass eine ökonomisierte und befriedete Stadt einer unkontrollierten und verarmten vorzuziehen ist. Wir könnten diesen Gegensatz als Beleg dafür nehmen, dass die Armut durch den Markt beseitigt wurde.

Ganz so einfach möchte ich es mir jedoch nicht machen, denn es sind keine Gegensätze zwischen „unseren“ und „deren“ Städte die sich hier auftun. Auch die Städte mit Gebieten grosser Armut funktionieren nach derselben Logik. Sie sind nicht weniger unternehmerisch und auch sie versuchen, ihre „standardisierte“ Attraktivität zu erhöhen (durchaus mit Erfolg!).

Quartiere die hiervon nichts haben, werden abgehängt, ehemals arme Gegenden, die von der unternehmerischen Stadt profitieren, werden gentrifiziert. Ein Teil der Menschen in diesen Quartieren, wie auch in unseren Städten, kann von diesen neuen wirtschaftlichen Möglichkeiten profitieren (ein Fahrstuhl-Effekt, vgl. U. Beck). Es sind diejenigen, die sich an die neuen Bedingungen anpassen können, sie sind in der Lage, die Vorgaben der „Standard-Attraktivität“ zu erfüllen.

Ein anderer Teil wird verdrängt und verliert, es sind diejenigen, die in diesem Raster der „Standard-Attraktivität“ weder als Kulisse einer vermeintlichen Dynamik und Vielfalt noch als tatsächliche Akteure vorgesehen sind (also doch eher ein Paternoster-Effekt, vgl. Ch. Butterwegge). Sie müssen Angst haben, dass sie aufgrund ihrer Verschiedenheit die Stadt verlassen müssen. Das Gegenteil von Urbanität entsteht, Abweichung wird zum Risikofaktor und Menschen versuchen in erster Linie stromlinienförmig zu sein.

Das Parallele, Verschiedene und Gegensätzliche in einer Stadt ist deren Motor. Es ist die Grundlage von gesellschaftlicher Aushandlung und damit von Demokratie. Es ist auch die Grundlage von Innovation und Erneuerung. Durch die alltägliche Begegnung und Befruchtung mit Anderem und von mir Verschiedenem werde ich angeregt. Aus dieser Anregung entsteht eine innere und äussere Auseinandersetzung mit der Welt, welche wiederum Voraussetzung für Ideen und Lösungen ist.

Die Grundlage technischer, wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung ist die Stadt, denn erst ihre Vielfalt ermöglicht Widersprüche und Widerstände – und damit Entwicklung. Eine Stadt die den ausgrenzenden Mechanismen nichts entgegensetzt, wird genau dies verhindern. Es mag vielleicht kein „Recht auf Stadt“ geben, doch eine ausgrenzende Stadt hört irgendwann auf, eine Stadt zu sein.

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